Handkaufbrief
Bei dem abgebildeten Handkaufbrief des Joanne Blümel aus dem Jahre 1790 handelt es sich um ein sehr seltenes und wertvolles Dokument der Zeitgeschichte. Leider gibt es im Internet keine konkreten Quellen, um das Dokument näher zu beschreiben.
Kaiser Joseph II. reformierte in den Ländern der Habsburger Monarchie bereits 1781 die Leibeigenschaft in eine gemäßigte Erbuntertänigkeit. Die Leibeigenschaft war ab diesem Zeitpunkt in ganz Böhmen (und Mähren) aufgehoben. Die Erbuntertänigkeit wurde erst 1848 gänzlich aufgehoben.
Mit der Urkunde des Joanne Blümel wurde ein als "Handfestbrief" bezeichneter Vertrag auf Lebenszeit beschlossen. Der Handfestbrief hatte hier die Bedeutung eines "Freiheitsbriefes", denn die Erbuntertänigkeit wurde mit dieser Urkunde aufgehoben und Joanne Blümel ist ab dem angegebenen Zeitpunkt ein "freier Bauer". Er ist somit frei von allen Lehndiensten; von Zug- und Handrobotdiensten.
Welche Arbeiten ein Bauer an Robot und Frohndiensten zu leisten hatte, war in einem Robotverzeichnis festgehalten, insbesondere auch die Anzahl der Tage eines Jahres, an denen er den Robot leisten musste. Der sogenannte Natural-Robot bestand z.B. in "Arbeiten oder Fuhren oder in Gängen oder Jagen oder Treiben. Die Arbeiten beziehen sich auf Beurbarung des Grund und Bodens im Allgemeinen oder auf gewissen Verrichtungen, wie Pflügen, Säen, Pflanzen, Schneiden... oder aus sonstigen Arbeiten, wie Holzschlagen, Erdgrabungen, Bachräumungen, Bauausführungen".
Quelle: Google-Books - Aus dem Buch der "Politischen Rechtsverhältnisse der österreichischen Staatsbewohner auf das Erzherzogthum Österreich unter der Enns. - Wien 1838 - ab Seite 573, §§ 266 ff.
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Hand Kaufbrief des Joanne Blümels
aus dem Niederdorf Rokitnitz um die Natural so wohl
Zug als Hand Roboth und weiteren Obrigkeitlichen Zinß und
Abgaben. Wofür derselbe ein reines Capital pr[o] 500
Floren Rheinisch, der gnädigen Grund Obrigkeit für diese ihm
zugediehene Freyheit zu hohen Handen erleget hat.
So gescheen, den 8. Novembris 1790.
Heunte zu Ende gesetzten Jahr und Tag ist zwi- |
|
2 fr. Stempe[...][1] |
schen dem Hochgebohrnen Herrn, Herrn Joseph, des heiligen Römischen Reichs Grafen von Nostitz und Rhienek, Ihro Röm[ischen] Kays[erlichen] König[lichen] Majestaet wirk[lichen] Käm[m]erer, als Hochgnädigen Obrigkeit der Herrschaft Rokitnitz Eines, dann dem Niederdörfer Bauer Johann Blümel aus N[umme]r Conscr[iptionis][2] 38 andern Theils, Nach- folgender Handfestbrief Vortragsmäßig hochgnädig belie- bet, beredet, und auf immer währende Zeiten fest zu- halten beschloßen worden, nemlichen
1mo S[eine]r gleich gedacht Hoch Reichs Gräflichen Gnaden, auf voraus gesetztes inständiges Bitten, dann aus besonderer Hoch Obrigkeit[licher] Neigung haben die Roboth des auch erwehnten Bauern Johann Blümel, dann sonstige Hochobrigkeit[liche] Abgaben, und zwar, so wie derselbe in Gemäsheit des von Einer Hohen Landes Stelle am 2ten Decembris 1777 bestätigt und von dem König[lichen] Königgretzner Kreyß Amte den 6. erm[elten] M[onats] u[nd] J[ahrs] hinaus gegebenen Roboths Verzeichnüßes |
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allwochentlich mit 3 Einspännigen Tagen zu verrichten, nicht min-
der nach Ausweyß seines den 5. Nov[em]br[is] 1767 errichtet, dann
den 19. December nem[lichen] Jahrs Hochobrigkeit[lich] begnehmigten, in
dem Grundbuche Fo[lio] 21, Gerichtsprothocoll pag[ina] 376 einver-
leibten, in dem Rollar Extract mit sub N[umme]r 6 bemerkten Kauf
Contracts an Erbzinß Jährlich mit 51 Xr. 2 d., dann an zinß
Haber à 2 V[ier]t[el] 2 mezen Alt Böhm[ischen] Maaßes[3], dann 2 stück
Hünern oder darfür "― "― "― 14 Xr. "―
nicht minder
6 stück Eyer oder dafür "― "― "― 1 [Xr.] 3 d.,
dann zum spinnen oder ausgemeßenen zahlung, ferner
Flachß zu brechen, und sonstige der Obrigkeit zugestandene
was immer für Nahmen haben mögende Verrichtungen
und Abgaben in Ansehung seines im dem Dorfe Nieder-
dorff sub N[ume]ro Conscr[iptionis] 38 besitzenden Bauerngrundes
samt zugehörungen verbunden wer, gegen deme samt seinen
Nachkömlingen, so weit als es diesen Bauern Grund betrift,
gäntzlich zu entheben, und loß zu spreichen, Gerichtet haben,
daß
2tens Er, Johann Blümel, für diese angedeihung respective
Loßzählung von denen Hand und Zugroboths Schuldigkeiten,
dann sonstigen wie immer benamsenden Obrigkeit[lichen] Gaben
zu obrigkeit[lichen] Handen einen Reluitions betrag von Fünf
Hundert Gulden Rheinisch, gutt und freywillig erleget
habe, welche 500 fr. auch derselbe in gutter gangbarer Müntze
heunte dato baar bezahlet hat, die die Gnädige Obrigkeit
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zu ihren Handen richtig empfangen zu haben hirmit nicht nur
bestätiget, sondern auch den Zahler Hans Blümel hier über
in bester Form dergestalt rechtens Quittiret, daß we-
der die dermalige noch künftige Hoch Gnädige Obrigkeit
unter keinen Vorwand etwas an Roboth oder sonstigen Obrig-
keitlichen Gaben an ihn, Hanns Blümel, oder seine Nachfol-
ger abzuverlangen nicht berechtiget sein sollen. Be-
langend hingegen
3tens Die Landesfürstliche Steuern, sie mögen was immer
für einen Nahmen führen, dann die Dorfs Gemeind Schuldig-
keiten und Pfarrherrliche Giebigkeiten, wie auch das Con-
firmations Geldt, hierinn bleibt dieser Bauer und seine
Nachfolger nach der vorigen Gewohnheit, wie solche in seinem
Contracte breiteren Innhalts bemerket sind, auf im[m]er
währende zeiten dergestalt verbunden, daß unter der Ge-
genwärtigen Reluition lediglich die Roboth und darmit ver-
knüpfte Urbarial Obrigkeit[liche] gaben, dann Schuldigkeiten
verstanden werden sollen, maßen die Reluition nach
dem Betrage der Interessen, so von diesem betrag pr[o] 500 fr.
auf 4 pro Cento gerechnet, ohne dieß gering abgemessen wor-
den sind. Und hiermit der Reluent Johann Blümel sich
sehr danknehmig in aller unterthänigkeit zufrieden gestel-
let hat. Übrigens
4tens Verstände es sich von selbsten, daß er, Johann Blümel,
so wohl als seine Nachfolger mit der Grund Unterthä-
nigkeit der Gegenwärtig und künftigen Rokitnitzer
Hochgnädigen Herrschaft verpflichtet, und verbunden
verbleibet, dargegen
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5tens Wird ihme die Macht hirmit eingeräumet, falls derselbe
oder seine Nachfolger über kurtz oder lang diesen von der Ro-
both, dann Obrigkeit[lichen] Schuldigkeiten mittelst gegenwärtigen Hand-
vestbrief befreiten Bauerngrundt, jedoch mit Hoch Obrigkeit[licher]
Begnehmigung verkaufen oder vertestiren wollte, den
selben um die gegenwärtig erlegte 500 fr. höher in Anschlag
bringen dörfte, beim allem deme aber
6tens Wird ihme, Johann Blümel, abgelegen sein, sich im[m]erhin
ihr Gnädigen Obrigkeit, und dem unterstehende Wirthschafts
Amte gehorsam zu bezeugen, die an ihn Erfolgende Aufträge
Pünktlich zu erfüllen, überhaupt aber einen Beispiel mä-
sigen Lebenswandel zu führen.
Zu Urkund dessen ist gegenwärtiger Vertrag, welcher
mit Hochgnädig Obrigkeit[licher] Verwilligung in das betreffen-
de Grundbuch auch ohne beisein wogehörig einverleibet
werden kann, mit nachstehenden resp[ective] Hochgnädigen Un-
terschrift, dann angebohrnen Pettschafts Fertigung ver-
sehen worden. So geschehen Rokitnitz, den 8. Nov[em]br[is] 1790
Joseph Blaschke aus dem Stadtel Rokitnitz als zeige Ignaz Pohl aus dem Stadtel Rokitnitz als zeige |
L. S. Amts[...] |
Joseph Graf v[on] Nostitz und Rhienek
+ + + Johann Blümel, Bauer |
Nachdehme es erwiesen, daß der Johann Blümel, in betreff
seiner von gnädiger Grundtobrigkeit Erkauften Robothfreyheit, die
500 Floren Rheinisch würcklich zu denen Hochobrigkeitlichen Handen
bezahlet, wird ihme nicht nur allein Bescheiniget, sondern von
Amtswegen Bestättiget.
Vidi. gehörig in das alte Kaufbuch Pag[ina] 376 zu den
ordinairen Kaufbriefe
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- Auflösung von Abkürzungen
Erklärungen s. II.
1mo |
primo |
d. |
denarius (dt. Pfennig); Pl.: denarii |
fr. |
Floren Rheinisch, Gulden Rheinisch |
L. S. |
loco sigilli |
Xr. |
Kreuzer |
- Erklärung von Begriffen und Phrasen
Die Schreibweise der zu erklärenden Begriffe und Phrasen lehnt sich an die damalige Schreibweise an, indem u. a. statt heutigem 'k' oder 'z' meist 'c' beibehalten worden ist.
benamsen |
benennen, mit Namen versehen |
Confirmation |
Bestätigung |
conscriptio, Conscription |
Ausschreibung, Aushebung, Einschreiben (der Mannschaft zum Kriegsdienst) |
Contract |
Vertrag |
danknehmig |
dankbar |
dermalig |
derzeitig |
einspännig |
einen Einspänner (Wagen mit einem vorgespannten Pferd) betreffend |
Floren Rheinisch |
Gulden (s. ebenda) im Vierundzwanzigguldenfuß (s. ebenda) |
folio |
auf Blatt |
Giebigkeit |
Grundstücksabgabe |
Gulden |
Die Bezeichnung 'Gulden' kann sich auf sehr verschiedene Münzeinheiten beziehen. Der vor allem in Süddeutschland und Österreich umlaufende Gulden war, was Kreuzer und Pfennige betrifft, meist so unterteilt: 1 Gulden = 60 Kreuzer = 240 Pfennige. Der Gulden wurde nach unterschiedlichen Münzfüßen ausgebracht, wie z. B. dem Vierundzwanzigguldenfuß (s. ebenda). |
Gulden Rheinisch |
Gulden (s. ebenda) im Vierundzwanzigguldenfuß (s. ebenda) |
Haber |
Hafer |
Handfestbrief |
Urkunde |
Interesse |
Zinsen, Nutzen, Gewinn |
Kreuzer |
s. 'Gulden' |
loco sigilli |
anstatt des Siegels |
Loszählung |
Befreiung, Freigabe, Lösung von Personen aus Abhängigkeitsverhältnis, von Verpflichtungen |
maßen |
(so) wie; gleich als, so als; indem, weil |
Metze |
s. 'Strich' |
ordinair |
gewöhnlich, ordentlich, üblich |
pagina |
Seite, Blattseite; auf Seite |
Petschaft |
(kleines) Siegel |
Pfennig |
s. 'Gulden' |
primo |
erstens, zum ersten |
pro |
für; nach, in Hinsicht, gemäß, vermöge |
pro Cent |
auf, für, vom Hundert; Prozent |
Reluent |
Person, die etwas wiedereinlöst oder auslöst |
Reluition |
Wiedereinlösung, Auslösung |
Robot |
Fronarbeit, Frondienst |
Rollar-Extract |
Auszug aus Liste oder Verzeichnis (?) |
Stempelsteuer |
Bestimmte amtliche Schriftstücke durften nur auf Papierbögen, wegen denen eine Stempelsteuer zu entrichten war, ausgefertigt werden. Weil der Steuerbetrag, dessen Höhe von der jeweiligen Art des Schriftstückes abhing, durch einen Stempelaufdruck in entsprechender Höhe ausgewiesen wurde, hieß diese Steuer 'Stempelsteuer' und der Papierbogen 'Stempelbogen'. Das Prinzip der Stempelsteuer fand in den später eingeführten Stempelmarken und Gebührenmarken seine Fortsetzung. |
Strich |
böhmisches Getreidemaß; 1 Strich = 4 Viertel = 16 Maßel/Metzen = 192 Seidel 1 Viertel = ¼ Strich = 4 Maßel/Metzen = 48 Seidel 1 Maßel/Metze = 1⁄16 Strich = ¼ Viertel = 12 Seidel; Es gab einen 'neuen' und 'alten Böhmischen Strich'. Nach einer Quelle von 1771 wurde 1 neuer Böhmischer Strich mit 1323⁄77 Dresdner Metzen und 1 alter böhmischer Strich mit 1 Dresdner Scheffel 7 Metzen gleichgesetzt.[4] Ein damaliger Dresdner Scheffel betrug 8064 Dresdner Kubikzoll.[5] Das entspräche bei einem Zollmaß von 2,3599 Zentimetern heutigen 105,982 Litern. Demnach wären 1 neuer Böhmischer Strich = 88,089 Liter und 1 alter Böhmischer Strich = 152,349 Liter. |
sub |
unter |
sub numero |
unter der Zahl, Nummer |
urbarial |
das Urbarium (s. ebenda) betreffend |
Urbarium |
Verzeichnis der urbaren und somit abgabenpflichtigen Grundstücke eines Ortes |
vertestieren |
durch Testament vermachen |
Vidi. |
Ich habe es gesehen. |
Viertel |
s. 'Strich' |
Vierundzwanzigguldenfuß |
Der Vierundzwanzigguldenfuß (auch: 'Rheinischer Fuß', 'Rheinische Währung', 'Reichsfuß') wurde ab 1760 von den meisten süd- und westdeutschen Territorien angenommen. Hiernach wurde das im Conventionsfuß aus 1 Kölnischen Mark (knapp 234 Gramm) Feinsilber ausgebrachte Münzgeld, das 20 Konventionsgulden entsprach, mit 24 Gulden (s. ebenda) bewertet. Für diesen Gulden erscheinen bisweilen die Bezeichnungen 'Gulden Rheinisch', 'Gulden Rheinischer Währung' oder 'Rheinischer Gulden'. Folglich wurden die konventionsmäßigen Zwanzig- und Zehnkreuzerstücke mit 24 bzw. 12 Kreuzern im Vierundzwanzigguldenfuß bewertet. Seit 1800 sanken die Kleinmünzen auf einen Vierundzwanzigeinhalbguldenfuß, der durch den süddeutschen Münzverein 1837 gesetzlich wurde (3½ Gulden im Vierundzwanzigeinhalbguldenfuß = 2 Taler im Vierzehntalerfuß). |
[1] eine für eine Stempelgebühr im Rahmen der Stempelsteuer (s. Glossar) stehende Bezeichnung
[2] Genitiv Singular von lat. 'conscriptio' (s. Glossar)
[3] Diese Maßangaben beziehen sich auf den alten Böhmischen Strich (s. Glossar unter 'Strich').
[4] Gnädigst privilegirtes Leipziger Intelligenz-Blatt, in Frag- und Anzeigen, vor Stadt- und Land-Wirthe, zum Besten des Nahrungsstandes, Jg. 1771, Nr. 38 v. 07. 09., S. 435
[5] Kruse, Jürgen Elert: Allgemeiner und besonders Hamburgischer Contorist, welcher von den Währungen, Münzen, Gewichten, Maaßen, Wechsel-Arten und Usanzen ....., Teil 1, Hamburg 1784, S. 212
(übersetzt von Herrn Dr. Michael Blümel, Wilsdruff - (info[at]entzifferer.de))